Wahlkämpfer ohne Partei

Ein kunterbuntes Gemisch an Menschen ist auf dem Klimacamp Rostock: Schüler:innen, Studierende, Arbeitende. Die Aktivist:innen haben das Camp wegen der Wahlen aufgebaut, machen aber keinen Wahlkampf für eine bestimmte Partei. Warum sie trotzdem ihre Zelte auf dem Neuen Markt aufgestellt haben, erzählt Jona.

„Wir sind hier, weil die Politik in der nächsten Legislaturperiode die letzte Möglichkeit hat, Gesetze zu schaffen, um das Pariser Klimaabkommen zu erreichen“, sagt Jona. „Danach ist es zu spät und das Klimaabkommen gescheitert.“ Jona ist Physikstudent, er engagiert sich bei Students for Future Rostock und beim Klimacamp Rostock. Ein Camp aus vielen Holzpaletten, Fahnen und Bannern. Auf einem Anhänger im Camp hängt ein großes Banner mit einem traurig blickenden Eisbär vor einem rot glühenden Himmel. Am Ende des Camps ist eine Ecke mit Sofas, Sesseln, Stühlen und zwei Bierbänken aufgebaut. Auf einem Sessel steht eine Gitarre mit vielen Aufklebern.

Jona und seine Mitstreiter:innen haben das Klimacamp am 11. September auf dem Neuen Markt in Rostock aufgebaut. „Wir haben ein 24-Stunden-Schichtsystem, es sind immer mindestens zwei Personen hier“, sagt Jona. Das Camp sei ein offener Austauschort und Treffpunkt für alle. So auch für die beiden Teenagerinnen aus Leipzig, die sich angeregt über Klimapolitik unterhalten – das verbindende Thema im Camp. Die Reaktionen auf das Camp seien unterschiedlich. „Viele gehen vorbei, aber einige kommen ins Camp und fragen uns, was wir machen. Wir hatten auch Menschen, die uns Essen gebracht haben, das sind schöne Momente, die auch zum Weitermachen anspornen“, meint Jona. Allerdings gebe es auch Menschen, die kein Verständnis hätten. „Manche pöbeln nur, das ist dann unangenehm.“ Und dann gibt es auch diejenigen, die zwar die Relevanz des Themas nicht sehen, aber mit denen man trotzdem ein Gespräch suchen und diskutieren kann. Das sind für Jona interessante Erfahrungen. „Mir ist es wichtig, dass den Menschen klar ist oder wird, wie wichtig diese Wahlen sind.“

„Gerade passiert aber nicht viel, wir sind alle gut ausgelastet mit Aktionen zur Wahl“. Deshalb arbeiten sie hauptsächlich an der Camp-Infrastruktur. „Für die nächsten Tage ist Dauerregen angesagt, deshalb muss das Camp regenfest gemacht werden. Auch Kleinigkeiten müssen erledigt werden, es fehlt beispielsweise ein Spülbecken“, sagt Jona. Mit einem Akkuschrauber baut Jona noch eine Halterung für die Gitarre.

Angemeldet ist das Camp bis Mitte Oktober, denn Klimapolitik ende nicht mit der Wahl. Während Jona vom Klimacamp erzählt, wirkt er begeistert und müde zugleich. „Es sieht etwas düster aus. Keine Partei hat ein 1,5-Grad-Ziel im Wahlprogramm und Wahlprogramme werden in den Koalitionsverhandlungen schwächer. Es ist unrealistisch, dass mit der Wahl das Pariser Klimaabkommen erreicht wird“, sagt Jona. „Deshalb ist es wichtig, dass wir Präsenz zeigen, die Relevanz des Themas vermitteln und dass es wichtig ist, sich die Wahlprogramme der Parteien anzuschauen.“

Seit Fridays for Future professioneller auftritt, kommunizieren die Aktivist:innen ihren Frust über das schleppende Tempo der Fortschritte nicht mehr nach außen. Wenn man mit vielen negativen Emotionen argumentiere, reagierten auch die Politiker emotional und verschließen sich. „Aber es ist ziemlich frustrierend, wenn Passanten, aber auch manche Politiker die Relevanz des Themas immer noch nicht erfasst haben. Manchmal habe ich das Gefühl, man rennt gegen eine Wand.“
Im Grunde überwiegen aber die positiven Erfahrungen: Men
schen kennenlernen, der Austausch mit anderen. „Es puscht, zu wissen, Anteil daran zu haben, dass sich etwas in die richtige Richtung bewegt.“

Während Jona das sagt, stapft ein Motorradfahrer zielstrebig ins Camp, zieht seine Handschuhe aus und legt sie zusammen mit seinem Helm auf eine Bierbank. Jona wirkt erst etwas irritiert über den selbstbewussten Auftritt. Aber schnell verwickelt er den Motorradfahrer in ein Gespräch. Die beiden diskutieren über Energieformen, über die Verbindungen zwischen Kraftwerksbetreibern in Köln und Rostock und über Klimapolitik. Am Ende stellt der Motorradfahrer sein Zelt auf dem Camp-Gelände auf und übernachtet hier.

 

Gitarre mit vielen Aufklebern

Zwei Aktivist:innen sitzen an einer Bierbank und lächeln in die Kamera

Ein Biertisch, in der Mitte ist ein aufgebautes Schachbrett, danaben eine leere Flasche mit einer Blume drin.

Ein Schilderbaum mit den Aufschriften "Klimacamp Halle 290 km", "Klimacamp Nürnberg 521 km", "Klimacamp Regensburg"; "Klimacamp Augsburg 642 km", "Klimacamp Ulm 650 km"

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert