Fehlende Barrierefreiheit bei der DB: gibt es Hoffnung auf Änderung?

Nach langer Zeit schreibe ich nun wieder hier auf meinem Blog. Durch mein Studium und die Organisation von Assistenz habe ich kaum Zeit, weshalb ich meine Blog-Aktivitäten pausiert habe. Allerdings hatte ich Ende Juli ein Erlebnis mit der DB, das mich auch heute noch fassungslos macht. Zudem sehe ich dieses Erlebnis eingebettet in eine strukturelle mangelnde Barrierefreiheit bei der DB – angefangen bei der Notwendigkeit, Fahrten mit erforderlichen Hilfeleistungen (Rampen, Begleithilfen etc.) 24 Stunden vorher anzumelden, dass man bei den meisten Bahnhöfen circa ab 23 Uhr bis 6 Uhr morgens nicht ein-, aus- und umsteigen kann, weil kein Personal vor Ort ist, um die notwendigen Hilfeleistungen durchzuführen und es endet nicht dabei, dass Hublifte oft fehlen, kaputt sind und generell eine zu geringe maximale Traglast haben.

Nichtsdestotrotz fahre ich sehr gerne mit der Bahn. Ich habe schon viele schöne, lustige Erlebnisse gehabt, habe sogar eine Freundin beim Zugfahren kennengelernt. Und ich bekomme auch mit, wie sich Barrierefreiheit bei den Zügen und Bahnhöfen weiter entwickelt. Dass es aber teilweise immer wieder schockierende Ungleichheiten zwischen dem Umgang mit Menschen mit Behinderung (zumindest diejenigen, die auf Hilfeleistungen angewiesen sind) und Fahrgästen gibt, die keine Hilfeleistungen brauchen, ist leider genauso Realität. Und deshalb habe ich diesen offenen Brief geschrieben, der an folgende Stellen ging:

  • kobinet-nachrichten.org
  • Bundesministerium für Digitales und Verkehr
  • Geschäftsstelle der Landes-Behindertenbeauftragten Baden-Württemberg
  • Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Pressestelle
  • Kundendialog der Deutschen Bahn
  • Pressestelle der Deutschen Bahn
  • SWR

Über die Ergebnisse, falls es denn welche geben wird, werde ich euch natürlich auf dem Laufenden halten.

Ich sitze in meinem E-Rolli und stehe auf einem Hublift vor der Zugtür.

 

“Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief als Betroffene und als Bloggerin.

Am 25.07.2023 wollte ich von Basel Badischer Bahnhof nach Berlin fahren. Die Fahrt ist schon seit 14.06.2023 angemeldet, die Hinfahrt lief problemlos.

In Basel startete mein erster Zug. Ich bin auf den Hublift und die DB-Mitarbeiterin hat ihn wie immer mit dem Fußpedal nach oben gemacht. Er bewegte sich aber, wie auch beim letzten Mal, nur ca. 10 cm nach oben und die Mitarbeiterin äußerte, dass ich zu viel wiege.

Den folgenden Inhalt schreibe ich hauptsächlich in Dialogform und als Gedächtnisprotokoll direkt nach dem Vorfall.

Ich: „O nein, nicht schon wieder. Das war letztes Mal auch [circa Mai 2023]. Können Sie ihn nochmal runter machen …?“ [Ich wollte dann eigentlich sagen, dass das hat letztes Mal auch geholfen hat, aber sie unterbrach mich sehr bestimmt.]

Sie: „Haben Sie das nicht gehört, der ist gebrochen?!“

Ich: „Dann muss ich jetzt mit dem internen Hublift rein.“

Sie: „Da bin ich nicht eingewiesen.“

[Natürlich weiß ich, dass der interne Hublift nur durch das Zugpersonal bedient werden darf; ich fahre lange genug mit der Bahn und bin auch schon sehr oft mit dem internen Hublift, sowohl beim ICE als auch beim IRE in den Zug rein oder raus gekommen und viel zu oft musste ich den zuständigen Menschen erklären, wie sie bestimmte Schritte beim internen Hublift bedienen müssen. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass sehr viele Mitarbeitenden den Hublift nicht bedienen wollen und/oder können. Es gibt natürlich rühmliche Ausnahmen und Menschen, die den internen Hublift problemlos bedienen können, diese Erfahrung durfte ich auch schon machen.]

Ich: „Dann sagen Sie doch dem Zugführer hinter Ihnen [er war circa 3-5 m entfernt] Bescheid, damit er den Hublift bedienen kann.“

Sie zu ihm: „Der Rolli wiegt mehr als 320 kg und hat den Hublift kaputt gemacht.“

Ich: „Das stimmt nicht. Er wiegt 200 kg, ich 80 und mein Gepäck wiegt keine 40 kg.“

Sie: „Er wiegt mehr, sonst wäre die Rampe ja hoch.“

Ich: „Die Rampe ist wohl kaputt, das war sie ja letztes Mal schon und wurde wohl kaum ersetzt.“

Er: „Der interne Hublift hält nur 280 kg.“

Ich: „Das stimmt nicht, die halten 300 kg und ich bin auch schon oft mit diesem internen Hublift in den Zug.“

Er antwortet nicht mehr, ich glaube, er telefonierte, aber ich bin mir nicht mehr sicher.

Sie: „Er ist Zugchef, es ist seine Entscheidung.“

Ich: „Ja, dann kann die Bahn mir jetzt ein Taxi nach Hause zahlen.“

Sie: „Nein.“

Ich: „Wieso?“

Sie: „Weil es nicht unsere Schuld ist. Ihr Rolli ist zu schwer und Sie sind damit schon öfter aufgefallen.“

Ich: „Nochmal, ich bin nicht zu schwer und ich will jetzt in diesen Zug.“

Er: „Er [der interne Hublift] hält nur 270 kg.“

Ich: „Ach, gerade eben waren es noch 280 …“

Meine Assistenz hat dann den Vorschlag gemacht, dass ich ohne Rollstuhl rein gehe und der Rolli über den Hublift in die Bahn kommt.

Sie: „Das macht doch keinen Unterschied.“

Ich: „80 kg sollen keinen Unterschied machen?“

Wenn es einen Unterschied macht, ob mein Gepäck 20 kg oder 40 kg wiegt, warum sollte es denn dann keinen Unterschied machen, ob da noch 80 kg mehr auf dem Hublift sind oder nicht.

Ich: „Der Zug steht doch sowieso, wir können es doch probieren.“

Sie: „Er ist kaputt und geht nicht mehr nach oben.“

Sie hatte es dann ohne Rolli probiert und es ging ein paar Zentimeter, dann hat sie denn Hublift wieder nach unten gemacht, ich bin in den Zug, meine Assistenz hat den Rolli auf den Hublift gefahren und der Hublift ging ohne Probleme nach oben. Sie hat die Rampe nicht ordnungsgemäß angelegt in den Zug, es gab einen leichten Knick nach unten.

Ich: „Können Sie den Hublift ein Stück weiter hoch machen?“

Sie: „Das geht nicht.“

Sie hat es dann auch probiert und es ging nicht. Wir haben den Rolli aber auch so in den Zug bekommen.

Kurz darauf fingen die Türen an den anderen Wagen zuzugehen, meine Assistenz hat es gerade noch rechtzeitig geschafft, ihr eigenes und mein Gepäck zu holen, die Zugbegleiterin wurde von der Tür schon zusammen geschoben.

Es gibt mehrere Punkte, auf die ich näher eingehen möchte:

1.„Sie sind damit schon öfter aufgefallen“: Ich kann nur vermuten, auf welche Situationen die DB-Mitarbeiterin anspielen wollte. Zum Beispiel beim letzten Mal, als der Hublift das erste Mal nur ein paar Zentimeter nach oben ging. Oder auf die dauernde Diskussion, als mobilitätseingeschränkte Menschen am Hochrhein, die auf einen Einstieg mit Rampe angewiesen waren, ein Dreivierteljahr nicht mit dem IRE fahren durften und als es dann wieder erlaubt war, sich leider sehr viele Lokführer*innen geweigert haben, den internen Hublift zu bedienen. Wie oft wurde ich schon stehen gelassen, trotz Anmeldung, Bestätigung und meines Protests vor Ort. Und von manchen Service-Mitarbeitenden in Basel habe ich dann gesagt bekommen, sinnngemäß, ich solle doch einfach mit dem langsameren RE fahren, ich wisse doch, dass das mit dem IRE kompliziert ist. (Auf meinem Blog rollendes-leben.de habe ich in der Vergangenheit mehrere Artikel zur Situation mit dem IRE am Hochrhein in Bezug auf fehlende Barrierefreiheit und Inklusion geschrieben). Die Situation ist nur so, dass ich nichts dafür kann, dass der Hublift nicht bedient werden kann, wenn man sich nicht auskennt. Noch weniger kann ich etwas dafür, wenn sich Lokführer*innen das interne Video nicht anschauen zur Übung (diese Information habe ich von einer Lokführerin bekommen, die den Hublift einwandfrei bedienen konnte). Wenn man den internen Hublift nicht bedienen kann, dann kann es schon einmal bis zu 25 Minuten (von mir selbst gestoppt) dauern, bis der Zug wieder los fahren kann. Wenn man ihn aber bedienen kann, dann dauert es 3 Minuten, bis der Zug fahren kann (ebenfalls von mir gestoppt).

2. Mein Gewicht: Ich weiß ganz genau, wie viel mein Elektrorollstuhl, mein Gepäck und ich wiegen.

3. Externe Hublifte generell: Meine Forderung ist, dass defekte Hublifte umgehend ersetzt/repariert werden (leider wird das nicht immer gemacht, wenn sie beispielsweise bei leichten Aktivrollis und leichten Menschen noch funktionieren, bei schwereren Rollis und/oder schweren Menschen aber nicht mehr). Idealerweise sollten die neuen Hublifte auch mehr als nur 320 kg aushalten. Denn es ist auch gewichtsdiskriminierend, wenn schwerere Menschen mit schweren Rollstühlen nicht Bahn fahren dürfen. Mein E-Rollstuhl beispielsweise wiegt 200-210 kg. Würde ich 120-130 kg wiegen ohne Gepäck, dann wäre ich schon über der Maximalbelastung vieler Hublifte (die meisten Hublifte haben 320 kg als Maximallast, manche 350, andere habe ich noch nicht gesehen).

4. Interner Hublift: Ich möchte wissen, wie viel Kilogramm interne Hublifte als Maximallast haben. Denn die, die ich bisher gesehen haben, waren bei mindestens 300 kg. Ich habe noch keinen mit 280 kg gesehen, diesen hätte ich niemals genutzt, weil ich mehr als 280 kg mit meinem Rolli wiege. Meine weitere Forderung ist, dass die zuständigen Mitarbeitenden auf den Zügen verpflichtende wiederholende Seminare zu internen Hubliften belegen müssen, sodass niemand mehr stehen gelassen werden muss, wenn der externe Hublift kaputt ist oder gar kein externen Hublift vor Ort ist. Einmal ein Seminar zu besuchen, reicht nicht aus, das hat meine Erfahrung gezeigt.

5. Taxi: Des Weiteren erwarte ich eine Stellungnahme dazu, was passiert wäre, hätte meine Assistenz nicht den rettenden Einfall gehabt. Ich wäre nicht in den Zug gekommen und wenn sich beim nächsten Zug der*die Zugführer*in auch nicht in der Lage gesehen hätte, den Hublift zu bedienen, wäre ich auch in diesen und die danach nicht gekommen, weil der externe Hublift offensichtlich zu defekt war.

Dass es neben den oben erwähnten negativen Situationen, die viele mobilitätseingeschränkte Menschen häufig betreffen, immer wieder sehr fähige, gut geschulte und sehr engagierte Mitarbeiter der DB gibt, sei hier auch erwähnt: Im Dezember 2022 musste ich nach Hamburg zu einem sehr wichtigen Facharzttermin. Der Zug musste wegen eines Schadens evakuiert werden. An dem Bahnhof stand ein Hublift, aber es gab kein Servicepersonal anwesend; die Kette wurde vom Zugführer entfernt, aber der Hublift konnte nicht genutzt werden, da er bereits seit längerer Zeit defekt war (und nach Angaben des DB-Mitarbeiters auch nicht zum ersten Mal). Hätte mir nicht ein Bauarbeiter mit Stapler und einer Europalette ermöglicht, mit meinem Elektrorollstuhl aus dem Zug zu kommen, hätte ich den Termin nicht wahrnehmen können, da die Feuerwehr sich auch nicht zuständig gefühlt hat, mir aus dem Zug zu helfen, der Rettungsdienst zwar kam, aber auch technisch keine Möglichkeit hatte.

Ich habe diesen Text so neutral geschrieben wie möglich. Trotzdem war es für mich eine körperlich und psychisch extrem belastende Situation. Ich habe mich gedemütigt gefühlt und hilflos. Dass ich in diesem Fall diskriminiert wurde, dass die Bahn immer noch nicht barrierefrei ist, bräuchte ich eigentlich nicht einmal erwähnen.

Es muss um Teilhabe, Chancengleichheit, das Recht auf Beförderung, Barrierefreiheit und Inklusion gehen und nicht um Ausgrenzung, Behinderung oder Diskriminierung vor allem mobilitätseingeschränkter Menschen bei der Nutzung des ÖPNV und Fernverkehrs.

Es ist nicht ausreichend, wenn die Bahngleise für mobilitätseingeschränkte Menschen erreichbar sind, diesen aber der Zustieg in die Züge verwehrt wird.

Ich hoffe sehr, dass wir zusammen die Situation für Menschen mit Behinderung inklusiver und barrierefreier gestalten können. Wir sind keine Fahrgäste zweiter oder dritter Klasse!”

5 thoughts on “Fehlende Barrierefreiheit bei der DB: gibt es Hoffnung auf Änderung?

  1. Sehr geehrte Frau Eckert,

    leider muss ich Ihnen recht geben und habe es schon mehr als einmal selbst erlebt, dass man vom Zugpersonal nicht einmal wahr genommen wird oder Servicepersonal angemeldet ist und man dann doch nicht in den Zug kommt.

    Das betrifft aber nicht nur die Bahn sondern leider auch den kompletten ÖPNV – nicht nur Fernverkehr sondern auch Busse, Strassenbahnen, etc. Ich selber wohne in Magdeburg und obwohl ich ziemlich selbstständig immer wieder unterwegs bin setzen mir einfach die Gegebenheiten Grenzen, in Form von “Nicht barrierefreien Haltestellen” zugestellte Rolliplätze in Bahnen etc.

    Verzagen Sie bitte nicht – es geht leider nicht nur Ihnen so – aber somit wissen Sie schon mal das Sie mit diesen Problemen nicht allein sind.

    1. Sehr geehrter Herr Garche,
      vielen Dank für Ihren Kommentar.
      Dass es den kompletten ÖPNV betrifft, stimmt tatsächlich, da gebe ich Ihnen Recht.
      Und auch dass es leider keine Einzelfälle und Ausnahmen sind, sondern es leider zum Alltag dazugehört. Verzagen, nein, das kommt nicht in Frage. Deshalb auch der Offene Brief.

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