Seit Juli 2018 dürfen mobilitätseingeschränkte Reisende, die auf einen Hublift für den Ein- und Ausstieg angewiesen sind, nicht mehr mit dem IRE mitfahren. Für den betroffenen Personenkreis bedeutete das: Umwege, Mehrkosten und im schlimmsten Fall gab es nicht einmal eine alternative Strecke. Wie ein Bahnsprecher der Deutschen Bahn (DB) auf Anfrage von rollendes-leben.de mitteilte, ist die Mitfahrt seit 1. Dezember 2018 wieder möglich. In einem Selbstversuch kam ich leider zu einem anderen Ergebnis.
Hintergrund des Verbots war, dass es am Bahnhof in Singen einen Unfall gab, bei dem sich eine Rollstuhlfahrerin verletzt hatte, da der automatische Schließmechanismus der Tür nicht deaktiviert wurde, während der externe Hublift benutzt wurde. Der IRE hat zwar integrierte Hublifte, diese durften aber noch nicht benutzt werden. Grund dafür war laut Bahnsprecher, dass „alle Hublifte in den Fahrzeugen im Rahmen einer Rollkur überprüft“ wurden, in dieser Zeit seien die integrierten Hublifte außer Betrieb. Die Überprüfung sollte ursprünglich bis Ende September dauern, wurde dann aber bis Dezember 2018 verlängert, da die Rollkur „zu Gunsten einer technischen Stabilisierung der Fahrzeuge in der Priorisierung zunächst zurückgestellt wurde“. Gleichzeitig war es aber nicht mehr erlaubt, mit den externen Hubliften ein- und auszusteigen. Anfangs war es noch möglich, auf dem Streckenabschnitt zwischen Basel und Bad Säckingen mit dem IRE zu fahren, aber auch dies ist seit November nicht mehr erlaubt gewesen. Laut Bahnsprecher sei es möglich, die externen Hublifte zu nutzen, tatsächlich konnte man jedoch keine Fahrt mehr mit dem IRE bei der Mobilitätszentrale anmelden.
Rainer Engel vom Fahrgastverband Pro Bahn begründete die Lage damit, dass der Entwurf des IRE des Typs VT 612 „vor mehr als 20 Jahren erstellt wurde – Barrierefreiheit steckte damals noch in den Kinderschuhen, genauso die elektronische Ausrüstung“. Zudem gebe es keine Vorschriften, „die die tatsächliche Gewährleistung von Barrierefreiheit sichern“ würden, alle Vorschriften würden sich auf „Bauen“ beziehen, nicht jedoch auf die Instandhaltung. „Wir stoßen“, so Engel, „obwohl es eine Kleinigkeit zu sein scheint, auf Zusammenhänge, die an die Grenze des politisch Machbaren führen“. Laut Felix Schreiner, Bundestagsabgeordneter der CDU, sei die Leistung der DB auf der Hochrheinstrecke „völlig indiskutabel“ und entspräche „in keinster Weise“ den politischen Vorgaben, jedoch gehöre es „zur politischen Realität, dass es sich um ein privatwirtschaftliches Unternehmen handelt und nicht die Politik für die Beschaffung und den Betrieb von Zugmaterial verantwortlich ist“.
Als Antwort auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Rainer Stickelberger (SPD) schrieb das Verkehrsministerium am 10. Dezember, dass laut DB Regio die Hublifte in den IRE „bis Dezember 2018 funktionsfähig und zugelassen sein“ werden. Des Weiteren seien “keine technischen Mängel an den Türmechanismen ursächlich für die nicht früher erfolgte Freigabe waren, sondern eine notwendige technische Überprüfung durch den Hersteller“.
Diesen Montag wollte ich mit dem IRE von Basel Badischer Bahnhof nach Bad Säckingen fahren. Die Fahrt habe ich bei der Mobilitätszentrale der Deutschen Bahn (MSZ) vorschriftsgemäß angemeldet, sie wurde auch seitens der MSZ bestätigt. Das Bahnhofspersonal in Basel hat mir dann aber gesagt, dass es ein generelles Verbot gibt, dass mobilitätseingeschränkte Reisende mit dem externen Hublift in den IRE dürfen. Die internen Hublifte würden technisch zwar funktionieren, seien für E-Rollstühle allerdings zu kurz – diese Information hatte ich bereits vom Personal eines anderen Bahnhofes bekommen. Manuelle Rollstühle könnten zwar mit dem integrierten Hublift in den Zug, allerdings dauere dies sehr lange, sodass sich das Zugpersonal weigere, den internen Hublift zu bedienen. Eine Mitfahrt sei nur dann möglich, wenn die Person selbständig die Treppen gehen kann.
Der Sprecher der DB konnte diese Informationen nicht bestätigen, im Gegenteil „bleibe kein mobilitätseingeschränkter Reisender zurück und es werden fahrzeuggebundene Hublifte eingesetzt, auch E-Rollstühle bis 350 kg“. Das sieht der Verkehrsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg vor, weshalb laut Bahnsprecher die integrierten Hublifte seit 1. Dezember 2018 in Betrieb seien. Währenddessen liegen Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Sabine Hartmann-Müller (CDU) die Information des Verkehrsministeriums vor, dass die integrierten Hublifte erst Ende Dezember in Betrieb gehen. „Ich nehme Ministerium und DB Regio beim Wort und erwarte, dass die Hublifte noch in diesem Jahr funktionsfähig gemacht werden, alles andere ist nicht hinnehmbar!“, so Schwarzelühr-Sutter.
Und Landrat Martin Kistler wurde seitens der DB Regio mitgeteilt, dass die Nutzung der integrierten Hublifte zeitintensiv „und einem stabilen Gesamtsystem nicht unbedingt dienlich“ sei. Aus diesem Grund soll an „Bahnhöfen mit vorhandenem stationärem Hublift dessen Nutzung vorrangig erfolgen“. Das sei jedoch noch in der Abklärung, weshalb die Züge noch nicht als „barrierefrei“ gekennzeichnet seien. Die Hublifte würden aber bereits „für die Beförderung von Reisenden mit Elektrorollstühlen“ genutzt werden.
Das Problem ist aber Folgendes: Mobilitätseingeschränkte Reisende, die auf den Hublift angewiesen sind, müssen jede Fahrt bei der MSZ anmelden. Die MSZ kann wiederum die Hilfe aber nur dann anmelden, wenn der Zug als rollstuhlgerecht (fahrzeuggebundene Einstiegshilfe) markiert ist.
Wie bereits im Juli (siehe Kein Einstieg für Mobilitätseingeschränkte in den neuen IRE am Hochrhein) gibt es auch dieses Mal unterschiedliche und sogar gegensätzliche Informationen. Fakt ist aber, dass ich nicht mitfahren konnte und einen späteren Zug nehmen musste. Ob dies ein Einzelfall ist oder nicht, lässt sich kaum heraus finden.
Diese Woche werde ich nochmals versuchen, mit dem IRE zu fahren. Dann wird sich herausstellen, ob die missglückte Fahrt am Montag eine Anfangsschwierigkeit war oder nicht. Ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten.